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Praxisbeispiel zu #holacracy #leanmanagement #designthinking

22. Dezember 2019

Andy Keel – oft werden sie gefragt: Wie machen Sie das – VRP und CEO von diversen Unternehmen in Teilzeit?

In diesem Blogpost versuche ich unser System, welches zu einem Grossteil auf #holacracy und #leanmanagement basiert, kurz aufzuzeigen aus einer System- und Werteperspektive.

Vorwort:

Die Ausführung beziehen sich sowohl auf ICT & Consulting- wie auch Bau-Branche.

Lean Organization:

Wir haben in allen Firmen einfache Regeln und Tools.

1. Alle sehen alles

Wir haben sämtliche Dokumente, Lohnabrechnungen, Lieferanten Rechnungen, unser Bankkonto Saldo, Spesen, Jahresabschlüsse in der Cloud. Alle haben darauf Zugriff – jeder kann sich jede Information selber beschaffen.
Effekt: Wir haben praktisch keine Meetings sondern höchstens Arbeitssitzungen, der Informationsfluss ist durchgängig. Transparente Löhne führen zu transparenten Leistungen, auch für mich als Inhaber.

Mitarbeiter sehen meine Lohnabrechnung & Spesen

2. Alle entscheiden selber: #Vertrauenskultur

Wir haben definiert, wer was macht und wie unsere Schnittstellen sind.
Mitarbeiter lösen Bestellungen selber aus, erfassen Ihre Spesenabrechnungen in Bexio, Entscheiden über Rabatte und Kundenaufträge und nutzen

die Firmenkreditkarte welche mit Prüfziffer in der Cloud liegt

Effekt: Es entstehen Jobs mit Verantwortung. Das Kollektiv (#teamistalles) wirkt regulierend. Die Overhead und Stabskosten sind 0 CHF. Wer Vertrauen missbraucht, wird entlassen.

Basis für ein solches System ist ein Vertrauensvorschuss – dadurch entsteht Loyalität. Ich nenne dieses System #partnershipvalue

3. Stories – und bitte keine Exceltabellen

Interne Emails sind wenn immer möglich zu unterlassen. Externe Emails versendet jeder selber (ohne cc).
To do’s – oder Tasks wie wir es nennen – werden in Redbooth.com erfasst. (Alternative Asana, Trello und Slack). Wir versuchen den Zielzustand (Stories) zu beschreiben und den Task jemanden zu assignen (zuweisen). Dieser arbeitet an diesem Task und involviert („tagt“) weitere Personen falls notwenig. Zwischenresultate oder Fragen werden als Kommentar erfasst, Entscheidungen dokumentiert und bei Erledigung einfach ein Häckchen gesetzt. In einem Stream (eigentlich wie eine Facebook time-line) sehen alle auf diesen Task zugewiesenen Personen was der aktuelle Stand ist. Viele Mitarbeiterinnen haben ein fixes Teilzeitpensum (zB Mediendesignerin) pro Woche. Erledigt werden immer die wichtigsten Stories, die anderen werden nach hinten verschoben. Jeder sieht von jedem Mitarbeiter, welche Prioritäten er aktuell hat. Etliche Mitarbeiter arbeiten für diverse meiner aber auch für ihre eigenen Firmen – d.h. die Firmengrenzen werden praktisch aufgehoben. Für die interne Kommunikation, für das Team Building oder kurze Rückfragen benützen wir whatsapp.

Ich liebe whatsapp

Effekt: Koordinationsaufwand praktisch 0, hohe Transparenz (wer macht was), ständige Release-Orientierung erhöht Produktivität. (Stories die nicht so wichtig sind, werden ständig tiefer priorisiert und nach hinten geschoben).
Diese Arbeitstechnik ist stark an SCRUM aus der ICT Branche angelehnt.

4. Keine Büros – keine Zeit & Ferienerfassung

Die vorgenannten Punkte sind die Basis, dass alle Mitarbeiter ortsunabhängig arbeiten können. Wir haben Mitarbeiter über 2000km verstreut in Europa (von Holland über London bis Wien), viele sehen sich nur 1-2x jährlich an einer Firmenparty. Wir kennen alle Arbeitsvertragsformen (Fix, Teilzeit, Stunden, Freelance). Die Form wählen die Mitarbeitenden selber. Zudem hat jeder Mitarbeiter seine Zeitautonomie, bestimmt wann und wo er/sie arbeitet. Bei Bedarf zahlen wir einen Platz im co-working space. Durch die Taskorientierung und die transparenten Löhne ist die Leistungsorientierung gegeben, eine Zeitkontrolle obsolet. Natürlich hat das SECO an solchen Regelungen keine Freude, doch diese Art von Arbeit gehört die Zukunft und es ist gegenseitiges win-win. Im Betonwerk unterliegen wir einem GAV was uns zur Zeiterfassung zwingt; wir haben dort eine APP auf dem Handy wo jeder Mitarbeiter selber „einstempeln“ kann. Zudem können wir so eine Auftrags-Nachkalkulation machen.
Effekt: Mitarbeiter arbeiten dann, wenn es in ihren Wochenablauf passt oder sie am produktivsten sind. (Programmierer meistens nachts, Mamas wenn die Babies schlafen, usw.) Durch dieses Arbeitsmodell können wir hochgradig qualifizierte und fähige MitarbeiterInnen anziehen – insb. Mamas und Menschen die sich selbständig machen und ein Teilzeit-Fixeinkommen benötigen. (Rund 8/33 Mitarbeiter haben eine Selbständigkeit neben den Tätigkeiten bei uns)

5. Inkrementelle Verbesserung & Resonanz Prinzip

Die Weiterentwicklung von unserem Business (wir wachsen je nach Firma jährlich zwischen 20-100%) machen wir durch viele kleine Verbesserungsschritte. Jede Woche führen wir etwas kleines neues ein, probieren in der Produktion etwas neues aus, entwickeln neue Produkte oder verbessern unsere Webseite. Jede Woche werden wir ein kleinwenig besser – also werden wir 52x besser pro Jahr. In 4 Jahren werden wir 200x besser – von BigBang und Product Launches halte ich absolut nichts.

Neue Produkte entwickeln wir zudem meistens nur auf Kundenanfragen (=Resonanz auf das wir tun). In dem Moment, wo wir eine Kundenanfrage noch nie gehabt haben, startet bei uns die Maschine. Wir überlegen uns a) wie lösen wir das Kundenproblem? und b) wie können wir daraus ein Produkt machen?

Dieser Ansatz wird in der modernen Startup Welt auch #designthinking genannt. Zu oft habe ich in meinem Startup-Leben ein Produkt kreiert und dann versucht, es zu verkaufen.

„Erfolg von Jungunternehmen ist es, von Misserfolg zu Misserfolg zu gehen ohne seinen Enthusiasmus zu verlieren“

Effekt: Wir scheitern auch heute noch. Regelmässig. Fast wöchentlich. …doch wir haben immer auch wieder Produkte und Lösungen die funktionieren. An denen orientieren wir uns. Jeder Mitarbeiter bringt ständig neue Inputs & Verbesserungen – das macht unsere Arbeitskultur aus.

Scheitern ist so normal wie gewinnen.

Businesspläne haben wir um die Liquidität zu planen, jedoch kommt es am Jahresende eh immer anders. So gehört das ständige rekrutieren von Mitarbeitern zu unserem Job. Jobangebote

Persönliche Arbeitstechnik:

Die vorgenannten Regeln gelten auch für mich und geben auch meinem Arbeitstag eine Struktur. Zudem arbeite ich selber 4 Tage pro Woche – ich habe in jeder Woche 1-2 Nachmittage oder einen ganzen Wochentag für mich. Diesen verbringe ich mit meinem 11jährigen Sohn, nütze ich für Gespräche & Treffen mit mir wichtigen Personen und zum Velo/Biken/Joggen resp. Ski/Telemark/Snowboarden. (Ich komme auf 30-40 Skitage p.a.) Am Wochenende mache ich immer nichts. Dazu kommen 7-8 Wochen Ferien.

1. Emails und Termine

Ich bearbeite meine Emails meistens nur 1x täglich max 2 Std mit dem Inbox Zero Prinzip. D.h. ich versuche ein Email nur einmal anzugreifen und dieses a) zu löschen b) zu beantworten oder c) einen Task auf Redbooth anzulegen (=Arbeit dahinter) und habe am Abend eine leere Inbox. Auf meinem Handy ist zudem nur meine private Mailbox synchronisiert.

Ich hasse Emails

Diese Arbeitstechnik nimmt mir ggü früher enorm viel Stress aus dem Alltag – zudem habe ich in meinem Leben schon zu viele Stunden mit Mails verschleudert. Mein Job ist es, die Firmen zu entwickeln, für meine Mitarbeiter da zu sein, neue Mitarbeiter zu suchen – Kunden zu treffen und Probleme zu lösen – usw …

Ich vereinbare Termine ca 2-3 Wochen im voraus. Die Feinplanung mache ich jeweils 10 Tage rollend.

2. Delegation & Vertrauen

Am Anfang mache ich die Dinge selber. (wird auch #bootstrapping genannt) Überall habe ich die ersten Kunden selber gewonnen, mich im Code vertieft, auf der Baustelle Montagen gemacht. Danach versuche ich, möglichst vieles zu delegieren. Neue Tasks versuche ich so zu strukturieren, dass sie nur das erste Mal bei mir landen und dann von einem Mitarbeiter erledigt werden können. (siehe auch oben)

Der Gretchen-Moment ist dann, wenn etwas schief läuft

oder ein Mitarbeiter einen Fehler macht. Ich versuche dann einzuspringen, mich vorne hinzustellen und die Verantwortung zu übernehmen. Natürlich versuchen wir zu lernen und es zukünftig besser zu machen. (Den gleichen Fehler zweimal machen ist doof). Schlussendlich agieren Mitarbeiter aber nur dann frei, wenn Sie vertrauen können. Der Vertrauensbeweis entsteht in Krisen und nicht bei Schönwetter. Klar kostet das auch etwas – wir verlieren durch Fehler zehntausende von Franken im Jahr. Der Gewinn ist aber viel höher.

3. Reisen

Ich versuche jede Woche mind 1/2 Tag in jeder Firma zu verbingen. Das heisst, dass ich oft unterwegs bin. Ich reise ausschliesslich im Zug (Zug= Arbeitszeit) – für’s autofahren fehlt mir schlicht die Zeit. Für die letzte Meile benütze ich Mobility (carshare) und Smide (ebike share). Zudem bin ich 2×5 Tage im Monat in Innsbruck wo mein Sohn lebt. 7 Jahre habe ich komplett ohne Auto gelebt, jetzt gibt es zwar ein Firmenfahrzeug, das steht aber meistens herum oder wird von Mitarbeitern benützt.

4. Gemeinschaft & Party

Durch die digitale und räumlich getrennte Arbeit kommt das Zwischenmenschliche zu kurz. Zwar können wir mit Whatsapp Gruppen das eine oder andere kompensieren. Persönliche Treffen (siehe Punkt 3) nütze ich vor allem auch zum Austausch von privatem. Zudem haben wir im Sommer und Winter je ein gemeinsames Event wo ich versuche, auch die Mitarbeiter von weiter weg einzufliegen.

Wir machen dann Party

HOLACRACY

Viele Aspekte der vorgenannten Punkte entsprechen dem Holacracy Prinzip. Unser entscheidender Unterschied ist jedoch der, dass die Endverantwortung am Schluss bei der Geschäftsleitung und mir liegt und nicht im Kollektiv (=mein Hauptkritikpunkt von hola-crazy … funktioniert nur bei Schönwetter). Die Geschäftsleitung der Unternehmen sind mit dem Erfolg der Firmen verbunden (nicht zwingend Aktienbeteiligung) und sichern so eine bottom-line Sicht. Schlussendlich jedoch liegt die Verantwortung bei mir als Entrepreneur und Inhaber, dass am monatsletzten jeder seinen Lohn am Konto hat. (Wir sind bis auf ein paar Darlehen selbst finanziert). Dem entsprechend erstellt unsere Buchhalterin für jedes Unternehmen einen tagesaktuellen Liquiditätsplan. Konkret:

Ich kenne den Auftragsbestand & Bankkonto Saldo von jeder Firma stets auswendig.

Natürlich lässt sich das alles viel einfacher in einer jungen Firma einführen. Ich bin jedoch überzeugt, dass viele Punkte für Organisationen und zukünftige Führungskräfte absolut KEY werden und sich die Arbeitstechnik bei Bürojobs massiv verändern wird. (vgl Stories und Arbeitszeitmodelle).